Die Form der Blüte
Sorten mit typischen Blüten
An dieser Stelle versuche ich, die anatomischen Eigenschaften der Blüte zu besprechen, die die Form und die verschiedenen Varianten des morphologischen Baus der Taglilienblüte ausmachen.
Die Gestalt der Blüte bilden sechs Sepalen, die herkömmlich Blütenblätter genannt werden. Drei von ihnen, aus denen die Blütenkrone, von oben gesehen, geformt ist, werden Petalen genannt; es sind die inneren Blütenblätter, die eine Art Köder für die die Blüte bestäubenden Insekten bilden. Drei weitere, äußere, die sich unterhalb der Petalen befinden, tragen den Namen Sepalen. Ihnen wird eine Schutz- und Stützfunktion zugeschrieben. Die Form der Sepalen, sowie ihre gegenseitige Anordnung im Raum, entscheiden über die Form der Blüte.
Die Form der Blüte kann man in zwei Ebenen bewerten: in der vertikalen, wenn wir auf die Blüte von der Seite schauen, und in der horizontalen, wenn wir auf die Blüte von oben schauen.
Die Bewertung der Blüte in der vertikalen Ebene erlaubt uns, mühelos die Sorten zu unterscheiden, deren Blütenblätter eine Anordnung bilden, welche mehr oder weniger der Form eines Kelchs angenähert ist (Abb. 2).
Abb.2 Tagliliensorten mit Blüten in der Form eines Kelches
Jitterbug Jessie
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Sea Urchin
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Roses in Snow
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Siewka Bodalskiego (Сеянец Бодальского)
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Diese Form, die für ältere Sorten charakteristisch ist, machte mit der Zeit den Platz frei für Sorten der neueren Generation, welche öfter Blüten darstellen, die die Sepalen flach, in einer Ebene, anordnen oder sie nach hinten einwickeln und die Form eines Turbans bilden. Die Gestalt flacher Blüten nehmen am häufigsten Sorten an, die durch sehr breite Sepalen gekennzeichnet sind, die die Form der Blüte ähnlich der eines Kreises formen (Abb. 3).
Abb. 3 Taglilienblüten mit flachen Blüten
Kiss My Grits
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Madison Holly Lace
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Solar Max
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Magical Melody
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Formen mit turbanartigen Blüten (Abb. 4), die für Spinnenformen charakteristisch sind (a), wurden zusammen mit dem Fortschritt bei den Zuchtarbeiten auf Zwischenformen (b) sowie auf typische Formen der Taglilienblüten übertragen (c, d).
Abb. 4 Tagliliensorten mit turbanartigen Blüten
Red Scorpion (a)
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Gamma Galaxy (б)
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Tart and Trendy (в)
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Thunderbolts Way (г)
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Die besprochene Charakteristik der Form der Taglilienblüte in der vertikalen Ebene hat eine relative Bedeutung, denn sie zeigt lediglich eine gewisse Tendenz des Baus, und oft hat sie nicht den Wert einer unveränderten Eigenschaft. Ein Teil der Sorten kann während des eintägigen Evolutionsprozesses des Blühens von der einen in die andere Form übergehen, abhängig von den herrschenden äußeren Bedingungen (Temperatur, Feuchtigkeit).
Der Blick von oben auf die Blüte der Taglilie in der Kategorie der typischen Blüten erlaubt die Unterscheidung einer unerschöpflichen Zahl von morphologischen Varianten, deren Quelle verschiedenartige Beziehungen zwischen den Petalen und den Sepalen sind. In nichts die Rolle der farblichen Lösungen für den Liebreiz der Taglilienblüte zu schmälern, bleiben diese ein wichtiges Element, das über den Wert als Zierpflanze entscheidet.
Die unten dargestellte Charakteristik stellt den Versuch der Systematisierung der unerschöpflichen Zahl von Varianten dar, welche die verschiedenartigen Größen und Formen der sechs Sepalen der Taglilienblüte und ihre gegenseitige Beziehung in der Horizontalen bei der Betrachtung der Blüte von oben diktieren.
Die häufigste und gleichzeitig am ehesten auf die Vorstellungen von Harmonie, symmetrischem und traditionellem Bau der Blüte zugeschnittene Form ist die Anordnung eines ruhigen Gleichgewichts zwischen den Petalen und den Sepalen. Die Einhaltung der Proportionen der klassischen Form präsentieren hier breite Petalen in einer kreisähnlichen Form, die aus dem Boden des Kelchs mit einer breiten Basis herauskommen und sich gegenseitig überlappen. Sie werden von breiten Sepalen begleitet, einem kleinen Rand, der unter den inneren Blütenblättern hervorragt und eine harmonische Ergänzung der Zeichnung der kreisähnlichen Blüte, von oben gesehen, darstellt (Abb. 5).
Abb. 5 Tagliliensorten mit typischen Blüten in der klassischen Form
Dantes Inferno
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Violet Etching
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Dip Darling
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Franks Delight
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Bei einigen Sorten bildet der äußere Umriss der Blüte einen fast idealen Kreis (Abb. 6). Dies zeigt die differenzierte Form der Petalen, die in jedem der vier gezeigten Beispiele in der Abb. 6 unterschiedlich ist.
Abb. 6 Tagliliensorten mit kreisähnlichen Blüten
Coyote Moon
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Baby Moon Café
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Mark Alan Perry
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Spalding Memories
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Bei jeder von ihnen weist die bestimmte Form, die von den inneren Blütenblättern diktiert wird, den Sepalen eine andere Rolle zu, um die fehlende Fläche zur vollen Zeichnung eines Kreises zu ergänzen.
Die Anordnung mit einer deutlicheren Präferenz der Sepalen präsentiert eine ähnliche Form, jedoch eine deutlich andere als die vorherige. Sie haben hier einen anderen Aufbau: sie sind länger und laufen spitzer zu und kommen zwischen den inneren Blütenblättern deutlicher zum Vorschein, wodurch sie die Zeichnung der Blüte, von oben betrachtet, von einem kreisförmigen zu einem eher sternförmig zusammengesetzten modifizieren, als ob sie aus sich überlappenden und zueinander um 45 Grad verschobenen zwei gleichschenkligen Dreiecken zusammengesetzt wären (Abb. 7).
Abb.7 Tagliliensorten mit typischen, die Sepalen präferierenden Blüten
Halloween Harvest
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Stakes Winner
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Rose Colored Glasses
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Hero Worship
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Eine etwas andere Kategorie kann man den Sorten zuschreiben, bei denen die Sepalen sich von ihrer Stütz- und Schutzfunktion hinsichtlich der Petalen „befreien” und für die Taglilienblüte ein wesentliches Schmuckelement darstellen. Dies ist charakteristisch für Zwischensorten zwischen der spinnenartigen und der klassischen Form (Abb. 8). Die Sepalen sind hier nur ein wenig schmaler als die Petalen und sind ihnen in der Länge oft ebenbürtig.
Abb. 8 Tagliliensorten zwischen der spinnenartigen und der klassischen Form
Startlink Creation
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Eight Miles High
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Bumblebee Lady
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Sonic Duck
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Eine andere Variante der klassischen Form der Taglilienblüte, die immer häufiger in den Angeboten der Züchter präsent ist, sind Sorten, bei denen die Blüten, von oben betrachtet, die Form eines Dreiecks haben. Die Anordnung der Petalen formt sie selbstständig, oder häufiger – ergänzt am äußeren Rand – der Anteil der Sepalen (Abb. 9).
Abb.9 Tagliliensorten mit dreieckigen Blüten
Swan Angel
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VG Oh Happy Day
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Sp. Fancy Dancer
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Shark Attack
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Es ist auf Sorten zu achten, bei denen der dreieckige Schlund und das dreieckige Auge die dreieckige Form der Blüte, von „oben” gesehen, verstärken. Eine größere Kollektion dieser originellen Lösungen führte im Jahre 2010 P. Stamile ein, einer der hervorragendsten zeitgenössischen Taglilienzüchter (Abb. 10) http://floydcove.com.
Abb. 10 Tagliliensorten mit dreieckigen Blüten aus der Zucht P. Stamile´s
Raspberry Prism
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Emerald Prism
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Feathered Prism
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Awesome Prism
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Die dreieckigen Formen wurden so sehr in verschiedenen Formen plastischer und dekorativer Lösungen von Taglilienblüten verbreitet, dass sie ganz gewiss in der nahen Zukunft als eigene Gruppe dieser Pflanzen promoviert werden.
Der besprochene Vorschlag der Klassifikation der Form der typischen Taglilienblüten stellt im Grunde genommen den Versuch einer Ordnung von etwas dar, was sich nicht ordnen lässt. Denn die Natur ist in ihrem Reichtum an vorgestellten Lösungen überraschend unvorhersehbar, befreit von sämtlichen Schemata und Grundsätzen (Abb. 11). Sucht man eine Systematik der typischen Form der Taglilienblüte, von oben gesehen, kann man auf Blüten in der Form eines Quadrats (a, b), eines Trapez (c) oder eines fünfzackigen Sterns (d) stoßen.
Abb. 11 Ungleichförmige Blüten von Tagliliensorten
Chang Dynasty (a)
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Pistachio Eyes (б)
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King Crab (в)
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Mount Etna (г)
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Es ist erstaunlich, dass man aus den sechs Elementen, welche die sechs Blütenblätter der Taglilienblüte darstellen, in der schöpferischen Zucht ständig völlig neue, bisher einmalige Formen schaffen kann. Diese Feststellung bestätigt in vollem Umfang die Zuchtpraxis.