Mein Abenteuer mit den Blumen
Mein Abenteuer mit den Blumen fing, wie die meisten Abenteuer, zufällig an, unerwartet, ohne irgendeine Vision auf eine Zukunft und ohne irgendeinen Tipp seitens der Vorstellung, in welche Richtung es sich entwickeln könnte. Es war, wie ich annehme, von dem natürlichen Vergnügen motiviert, mit der Schönheit von Blumen in Kontakt zu sein, sowie dem ursprünglichen, wie ich meine, in jedem Menschen steckenden Bedürfnis, den Boden zu bearbeiten. Eines Tages wurde ich Besitzer eines Schrebergartens mit einer Fläche von 200 m2 auf dem Gebiet der Arbeiterkleingärten in Kolumna, einer Ortschaft in der Nähe von Lodz. Ich war damals ein erfüllter Hochschullehrer und Arzt, Professor der Medizinischen Akademie in Lodz, Direktor des Instituts für Pädiatrie und Leiter der Klinik für Kinderkrankheiten, und man konnte annehmen, dass der Besitz eines Schrebergartens eine gute Idee ist, um die wenigen Augenblicke fernab der Arbeit zu verbringen. Weil ich kein besonderes Interesse am Anbau von Gemüse und Obststräuchern hatte, füllte ich meinen Schrebergarten mit Blumen, die sich schrittweise unter dem Einfluss des Buches „Lilien” von Kazimierz Mynetta in eine Monokultur dieser Pflanzen umwandelten. Und das waren die Anfänge. Erst nach einigen Jahren bekam ich einen eigenen, größeren Garten, der mir die völlige Freiheit hinsichtlich meines Interesses an Blumen, oder genauer gesagt, an Lilien gab. Die lawinenartig ansteigende Faszination sowohl an Lilien als auch an ihrer Züchtung sowie das Engagement in der Bewegung der Zierpflanzenliebhaber in unserem Land waren spontan und entwickelten sich auf unkontrollierte Weise. Dies begünstigte ein Milieu von Menschen, die von einer Leidenschaft ergriffen wurden, von durstigen, empfindlichen, verliebten und selbstlosen Menschen, für die sogar der kleinste Garten eine Welt unzähliger Emotionen und Ergriffenheit war. Ich hatte damals noch keine Ahnung, wie sehr diese Welt zu meiner Welt werden würde. Im Jahre 1981 entstand aufgrund meiner Initiative und aufgrund meiner aktiven Beteiligung die Polnische Gesellschaft der Lilienliebhaber, anfangs im Schoße des Vereins der Gartenbauingenieure und –techniker, ab dem Jahre 1987 als selbstständige Organisation. Seit dem Augenblick der Entstehung der Gesellschaft war ich ihr aktiver Funktionär und füllte in den Jahren 1981 – 87 die Funktion als Vizepräsident sowie die Funktion als Vorsitzender des Vorstandes aus. Diese Gesellschaft vereinigte annähernd 500 Personen aus verschiedenen Städten Polens, und in ihrem umfassenden und attraktiven Tätigkeitsprogramm kam es den Erwartungen und Wünschen der Zierpflanzenliebhaber und der Schönheit der Blumen in unserem Lande entgegen. Im Jahre 1984 übersetzte ich das Buch „Let 's Grow Lilies!” / ”Lasst uns Lilien züchten!” von Virginia Howie, das in viele Sprachen übersetzt wurde und auf der ganzen Welt bekannt ist, in die polnische Sprache und popularisierte es im Kreise der Lilienliebhaber im Lande; das "Verzeichnis der Liliensorten und -arten" verfasste ich ein Jahre später und gab es heraus.Eine wesentliche Bedeutung für die Erweiterung des Interesses am Anbau und an der Zucht von Lilien hatte „Lilien“, eine in den Jahren 1983 – 86 unter meiner Redaktion herausgegebene Broschüre der Polnischen Gesellschaft der Lilienliebhaber. In den Jahren 1983 und 1985 organisierte die Gesellschaft in Lodz die zwei ersten gesamtpolnischen Ausstellungen unter dem Namen „Lilienimpressionen Lodz ´83 und Lodz ´85", verbunden mit Symposien zum Thema Lilien. Die Ausstellung und das Symposium „Lilienimpressionen Lodz ´85“ hatte internationalen Charakter. An ihnen nahmen bekannte Lilienzüchter aus der Tschechoslowakei (Vaclav Jost) sowie aus Holland (Douwe Wierstra) teil. Das damals erstmals angewandte Klassifikationssystem sowie die Bewertung der Pflanzen in Wettbewerben auf der Pflanzenausstellung, die Präsentation zeitgenössischer Errungenschaften im Bereich der Lilienzucht, der Sortenkunde und des Schutzes der Pflanzen als auch die die Veranstaltung begleitenden Veröffentlichungen machten aus ihr den Prototyp späterer Ausstellungen, die alljährlich unter dem Namen „Lilienimpressionen“ in anderen Städten Polens organisiert wurden. Ein Anlass für Treffen der anderen Art waren Kongresse, welche in der Herbstzeit in verschiedenen Städten des Landes unter dem Namen „Liliada” organisiert wurden. Ihr Zweck war außer dem Austausch von Erfahrungen sowie einem Gesellschaftsprogramm der Verkauf und der Austausch von Lilienzwiebeln, Samenkörnern und anderem Pflanzenmaterial. Es gingen Auktionen attraktiver Lilienzwiebeln in die Geschichte ein, welche voll höchster Spannung und aufregender Versteigerungen waren. Im Jahre 1990 entstand im Lehrfilmproduktionsbetrieb in Lodz aufgrund meiner Initiative und meiner Beteiligung der Lilien popularisierende Film mit dem Titel „Liliowe Hobby” unter der Regie von Jerzy Bezkowski. Mit größter Sympathie und Rührung denke ich an gemeinsame Expeditionen mit der Kamera in den Händen des talentierten Naturfilmschaffenden zurück, auf der Suche nach natürlichen Lebensräumen der Lilie in unserem Land sowie Lilienausstellungen in der Tschechoslowakei und Holland. Als besonders wertvoll erschien damals das Erwirken der Filmgenehmigung hinsichtlich der Verwendung einiger Szenen aus dem Frühlingsgarten Europas in holländischen Keukenhof für den Film. Mit der Zeit wurde die Tätigkeit der Polnischen Gesellschaft der Lilienliebhaber außerhalb der Grenzen unseres Landes wahrgenommen, vor allem in den Vereinigten Staaten, wo die renommierteste Gesellschaft von Lilienliebhabern der Welt tätig war - die North American Lily Society. Teilweise geschah dies durch Artikel, die in den Publikationen der NALS veröffentlicht wurden, in denen die Tätigkeit der Schwestergesellschaft in Polen, ihre Errungenschaften und Erfolge beschrieben wurden. Einige Mitglieder der Polnischen Gesellschaft der Lilienliebhaber wurden auch zu Mitgliedern der North American Lily Society. Ein großer Bewunderer der Entwicklung der Polnischen Gesellschaft der Lilienliebhaber in Polen war die unvergessliche, immer mit Rat und Tat zur Seite bereitstehende Dorothy Schaefer der N.A.L.S. Meine persönlichen Erfolge in der Lilienzucht wuchsen aufgrund der in jener Zeit allgemeinen Lilienfaszination in Polen.
In den Jahren 1978 - 97 beschäftigte ich mich mit dem Anbau von Lilien und seit 1981 mit ihrer schöpferischen Züchtung. In den Jahren 1986 - 94 habe ich im International Lily Register /dem Internationalen Lilienregister/ sechzehn eigene Lilienklone angemeldet, darunter die bekanntesten: „Konstancja”, „Bohun”, „Yeti”, „Clown”, „Green Year”, „As” sowie die erste polnische Sorte der orientalischen Lilie „Clackamas”.
Im Jahre 1985 nahm ich Pionierarbeiten an der Züchtung polyploider Sorten von Lilienblumen auf, welche zehn Jahre später von Erfolg gekrönt wurden.
Im Jahre 1995 meldete ich im Internationalen Lilienregister als erster polnischer Züchter und einer von wenigen auf der Welt drei tetraploide Sorten der asiatischen Lilien „Great Dick”, „Kwartet” und „Kolumna” an. Die Züchtung polyploider Lilien brachte atemberaubende Ergebnisse. Die von mir angemeldete Sorte „Great Dick” hatte an einem Trieb 56 Blütenknospen, was bei normalen 8 – 12 Blüten eine unglaubliche Errungenschaft in der Blumenzucht war. Ich züchtete eine tetraploide Trompetenlilie (der Klon ist nicht angemeldet), die eine Höhe von 3,5 Metern hatte. Es wurde mir klar, dass ich in dem, was ich machte, irgendwelche unerreichbaren Barrieren überschritt, die sich für das Guiness-Buch der Rekorde qualifizierten. Meine züchterischen Errungenschaften, weitreichende internationale Kontakte mit vielen führenden Züchtern anderer europäischer Länder (Hollands, Großbritanniens, Tschechoslowakei, Lettlands, der ehemaligen Sowjetunion), der Vereinigten Staaten und Australien machten aus mir eine erkennbare und populäre Person im Milieu der Lilien auf der Welt. Auf unbeabsichtigte Weise und teilweise zufällig fand ich mich im informellen Klub der herausragendsten Lilienzüchter. Ich wurde eingeladen, um Vorträge zum Thema Lilien bei vielen renommierten Symposien und Konferenzen zu halten. Auf der 5. Internationalen Lilienkonferenz, die im Jahre 1989 nach einer 20jähriger Pause der Lilienkontakte zwischen den Lilienzüchtern auf der Welt in London von der Royal Horticultural Society organisiert wurde, betraute man mich mit dem Halten eines Vortrages über europäische Liliensorten. Der einwöchige Aufenthalt in London, verbunden mit einer Besichtigung der attraktivsten Gärten Englands und Schottlands, war eine Gelegenheit, sich mit der sehr erhabenen Spezialität britischer Gärtner, dem Anbau seltener Pflanzenarten, darunter auch von Lilien, bekannt zu machen. Ein Jahr später wurde ich zur Teilnahme an und dem Halten zweier Vorträge auf der 1. Internationalen Konferenz eingeladen, die von der Liliengesellschaft der Ostseerepubliken der ehemaligen Sowjetunion in der Ortschaft Jurmal in Lettland organisiert wurde. Dies war für mich eine Gelegenheit, engere Kontakte und Bekanntschaften sowohl mit lettischen als auch mit sowjetischen Züchtern zu knüpfen, deren Errungenschaften in der Züchtung bedeutend, der internationalen Gemeinschaft jedoch aufgrund des Eisernen Vorhangs des Sozialismus vollkommen unbekannt waren. Besonderes Interesse weckte das Phänomen Lettlands, einer kleinen Ostseerepublik, welche eine Macht auf der Lilienweltkarte war (siehe unten). Als jedoch größte Auszeichnung muss ich die Einladung anerkennen, die ich von der North American Lily Society zur Teilnahme an der 47 Annual International Lily Show in Portland in den Vereinigten Staaten im Jahre 1994 erhielt, mit dem Vorschlag, den Vortrag „Europe: Lilies and People“ zu halten. Das Bewusstsein, Europa, unseren Kontinenten, auf der gesamtamerikanischen Konferenz und der Lilienausstellung zu vertreten, war überaus verpflichtend und bedurfte besonders sorgfältiger Vorbereitungen. Ich musste diese Aufgabe gemäß den Erwartungen bewältigt haben, denn während des Abschiedsbanketts zum Abschluss der Konferenz wurde ich als seinerzeit einziger Europäer zum Ehrenmitglied der North American Lily Society (Honorary Life Membership) ernannt.
Meine persönlichen Erfolge innerhalb der Tätigkeit zugunsten der Popularisierung von Lilien in Polen, ihres Anbaus und ihrer Zucht verdeckten nicht den wichtigsten Erfolg, der die Teilnahme aller Mitglieder der Polnischen Gesellschaft der Lilienliebhaber war. Dank dieser Gemeinschaft trat Polen auf der Lilienlandkarte Europas, eingestandenermaßen mit einem damals noch kleinem Schaffen, in Erscheinung. Und es gab auch noch einen anderen Erfolg. Seinen Inhalt schrieb ein anonymer Besucher der Lilienblumenausstellung ins Gästebuch. Er enthält eine in humanistischen Kategorien tiefsinnige Botschaft, welche man an alle richten kann, die sich mit der schöpferischen Blumenzucht befassen. Die Geschichte meines Abenteuers mit den Blumen hat ihr unerwartetes und prosaisches Ende. Auf dem Gipfel des Erfolges und der atemberaubenden Erfolge in der Blumenzucht wurde mir die Kollision zwischen den Pflichten, die mit der Ausübung des Berufs eines pädiatrischen Arztes, eines Wissenschaftlers und Hochschullehrers verbunden sind, und der Zeit, die ich den Lilien widmen sollte, um das erreichte Niveau zu halten und es weiter anzuheben, klar. Eine Dualität des Engagements kam nicht in Frage. Irgendwo musste ich nicht aufrichtig sein. Auf diese Weise trennte ich mich Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts von den Blumen. Es sind 15 Jahre vergangen. Gegenwärtig habe ich meine berufliche Tätigkeit beendet, bin im Ruhestand und ein Garten ohne Lilien erscheint mir leer. Einer Reaktivierung der Lilienkollektion von vor 15 Jahren, eines einzigartigen Gartens polyploider Sorten von Lilien, die mittels eigener Kreuzungen über viele Jahre hinweg gesammelt und gewonnen wurden, würde ich niemals aufnehmen. Zur Hilfe gekommen sind mir die Taglilien. Die züchterischen Errungenschaften im Bereich dieser Blumen habe ich mit alten Sorten aus der Kollektion des Bruders Stefan Franczak verglichen, welche seit vielen Jahren in meinem Garten wachsen. Der Fortschritt bei der schöpferischen Züchtung von Taglilien auf der Welt ist unglaublich und weckt Erstaunen. Es ist ein Jammer, dass er in unserem Land unbeachtet und unterschätzt ist, in einem Grade, den er verdient, denn in der gegenwärtig angebotenen Form ist die Taglilie eine außergewöhnlich attraktive Gartenpflanze. Die Aufnahme des Versuchs der Gewinnung eigener Liliensorten und die Popularisierung ihrer schöpferischen Züchtung in unserem Land betrachte ich als den zweiten Teil meines Abenteuers mit den Blumen. Ich weiß nicht, was daraus wird, aber ich kann nicht widerstehen, es zu versuchen!