Die Schmuckelemente der Blütenhülle
Der Schlund
Mit dem Begriff „Schlund” (engl. throat) wird der zentral gelegene Teil der Blütenhülle bezeichnet, der den Blütengrund von der Innenseite darstellt, aus dem der Stempel und die Staubgefäße sprießen und in dem Honigsauger lokalisiert werden. Diese Struktur wird nicht ohne Grund von anderen unterschieden. Bei den meisten Tagliliensorten bestimmt sie mit ihrer Gegenwart nämlich einen anderen Farbton als den des übrigen Teils der Blütenblätter, und deshalb hat sie auf entscheidende Weise Einfluss auf das Aussehen und die Bewertung der Blüte als Gesamtheit.
Tagliliensorten mit Blüten, die eines Schlundes beraubt sind, trifft man selten. Im Allgemeinen sind es einfarbige Sorten mit gelben oder orangefarbenen Blüten (Abb. 38).
Abb.38 Tagliliensorten, die eines farbigen Schlundes beraubt sind
Sheila Borughton
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Patsy Cline
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Isle of Skye
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Tropical Heaven
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Bei den meisten Tagliliensorten tritt der Schlund auf. Er wird als wesentliches Schmuckelement behandelt und bei der Beschreibung der Blüten berücksichtigt. Der Bereich der Blütenblätter, der mit der Farbe des Schlundes gefärbt ist, besitzt eine unterschiedliche Größe. Bisweilen ist er an das an den Schlund angrenzende Auge begrenzt. Der Schlund nimmt am häufigsten die Farbe Grün mit unterschiedlichen Schattierungen und unterschiedlicher Intensivität der Färbung an (Abb. 39).
Abb. 39 Tagliliensorten mit einem grünen Schlund
Neptune's Legacy
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Monday Morning
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Blues Paradise Royal
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Complementary Colors
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Johny Cash |
Dancing with Julie
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Bogong Jack
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Storm Over Toledo
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Besonders beeindruckend sieht der Schlund aus, der vor dem Hintergrund eines dunklen Auges oder einer dunklen Farbe der Petalen exponiert ist.
Bei einem Teil der Sorten ist der Schlund in der Farbe Gelb gefärbt (Abb. 40). Dieser Umstand erlaubt es nicht nur, den Schlund in der Taglilienzucht als Schmuckelement mit einer wechselhaften Koloristik zu behandeln, sondern er eröffnet gleichzeitig auch den Weg zur Schaffung unterschiedlicher farblicher Lösungen, die anders als die beiden oben genannten sind. (Abb. 41)
Abb.40 Tagliliensorten mit einem gelben Schlund
Cast Your Crown
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Korth Keowee
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Melon Blossom Fame / Grace
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Frank's Hot Tamale
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Abb.41 Wechselhafte Farben des Schlunds bei Tagliliensorten
Dante's Inferno
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Jane Mahan
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Jim Spencer
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Mexican Magic
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Die Verschiedenartigkeit des Aussehens des Schlundes betrifft nicht nur die Koloristik seines Bereichs. Bei einigen Sorten „entgleitet” der Schlund über die Grenzen, die vom Bereich, der für das Auge bestimmt ist, aufgezwungen sind, oder das mit seiner Farbe die Farbe der Petalen kontrastiert. In solchen Fällen tritt der Schlund sanft auf den Umkreis der Blüte über, indem er die Grenzen seines Bereichs mit einem verschwommenen Übergang zur Farbe der inneren Blütenblätter verwischt (Abb. 42). Dieser Umstand verleiht den Blüten der Taglilie eine zarte, edle Eleganz und bei einer glücklichen Zusammensetzung der Farben auch eine bezaubernde Schönheit. Vielleicht verzichtet die Natur gerade deshalb schon dann auf die Gegenwart zusätzlicher möglicher Elemente, die die Blüte der Taglilie schmücken, indem sie sich höchstens auf eine zarte Falbel beschränkt.
Abb. 42 Tagliliensorten mit einer unkonventionellen Zeichnung des Schlundes
Leap of Faith
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Kate Carpenter
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Wonderful Sunset
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California Kid
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Bei einem gewissen Teil der in den letzten Jahren erschienenen Sorten tritt der Schlund sanft in den Bereich der heller werdenden, entfärbten inneren Blütenblätter. Er breitet sich fast über die gesamte Fläche der Petalen aus und stoppt am farbigen Rand ihres äußeren Randes (Abb. 43). Tagliliensorten, die Blüten dieses Typs präsentieren, sind als neue Qualität im Arsenal der züchterischen Angebote der letzten Jahre zu behandeln.
Abb. 43 Taglilienformen mit entfärbten Blütenblättern
Cradle of Bethelehem
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Ruby Border
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Cherry Picotee
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Edged in Pink
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Es ist darauf zu achten, dass die erwähnte Entfärbung auch die Sepalen betrifft, was die Beteiligung und die Bedeutung des Schlunds an der für den Liebreiz der Taglilienblüte sehr wichtigen Transformation suggerieren mag, was die Übertragung der Schmuckelemente auf die Strukturen ist, die mit der Stütze und dem Schutz der Blütenhülle funktionell verbunden, oder - einfacher gesagt - die Übertragung der Zeichnung der Petalen auf die Sepalen.
Die aufgeworfene Frage scheint um so wichtiger zu sein, dass sie den Schlund als Element definiert, das sich züchterischen Eingriffen unterwirft. Beweise für diese These liefert die Zusammenstellung von Sorten, die in Abb. 44 dargestellt sind.
Abb. 44 Die Einführung farblicher Elemente des Schlund auf die Zeichnung der Blütenblätter der Taglilien
Flamingo Flambeau
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Bottlerocket
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Amenhotep
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Small World Kaleidoscope
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Heavenly Christmas Cactus
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Lone Star
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Sweetheart Night Beacon
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Tricolor
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In der dargestellten Zusammenstellung von Sorten wird die Evolution der Übertragung der Zeichnung des Schlunds von den Petalen auf die Sepalen dargestellt, von spinnenartigen Sorten auf klassische Formen der Blüten der Taglilie. Die Eigenschaft der Bereicherung der Gegenwart des Schlunds der äußeren Blütenblätter scheint genetisch mit den spinnenartigen Formen verbunden zu sein, da die meisten spinnenartigen Formen sie besitzen. Eine botanische Begründung dessen könnten die bedeutend kleineren Ausmaße der Blütenblätter in den spinnenartigen Formen und die physisch geringeren Möglichkeiten des Anlockens von Insekten im Vergleich zu den klassischen Formen sein.
Bei den klassischen Formen bilden ausschließlich die inneren Blütenblätter den Schlund. Das Auftreten neuer Sorten mit einer koloristischen Zeichnung des Schlunds auf den Sepalen ist das Ergebnis von züchterischen Arbeiten, und die Quelle dieser Anwesenheit sind ganz sicher spinnenartige Formen der Taglilienblüten.
Die Besprechung der Rolle des Schlunds der Taglilienblüte bei der schöpferischen Kreierung neuer Sorten und ihres Liebreizes wäre unvollständig, wenn man die wenig geschätzten, aber wesentlichen farblichen Zusammenhänge zwischen dem Schlund und den kleinen Rüschen außer Acht lassen würde. Kaum einer beachtet, dass bei den bezaubernd schönen zeitgenössischen Sorten der Taglilienblüten die Farbe der Rüschen die treue Übertragung der Koloristik des Schlunds auf den Rand der Petalen ist (Abb. 45).
Ryc. 45 Koloristische Beziehungen zwischen Schlund und Rüschen
Kennesaw Mountain Hayride
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Duke of Gascone
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Some Sweet Day
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Purple Greenway
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Shamrock Delight
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Shamrock Dew
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Siewka Agin
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Brookie Bug
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Bella Note
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Apple Spring
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Dr Jerrold Corbett
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Granny Smith
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