Die Schmuckelemente der Blütenhülle
Die Verzierung des Randes der Blütenblätter
Die Bezeichnung „Rand” (engl. edge) der inneren Blütenblätter ist treffender als die allgemein in unserem Land verwendete Bezeichnung „Rüsche”. Die kommt von der unglaublichen Verschiedenartigkeit morphologischer Lösungen, mit denen gegenwärtig die Natur unter Teilnahme von Züchtern die Ränder der Blütenblätter der Taglilie schmückt. Die Schmuckränder wurden zu einem der wichtigsten, wenn nicht zu dem wichtigsten Schmuckelement der Blüte, und obwohl sie im Teil der Sorten dem Begriff „Rüsche” entsprechen, passt dieser Begriff nicht zu anderen, nicht weniger attraktiven.
Die Verbreitung der Bezeichnung „Rüsche” knüpft an die Anfänge der züchterischen Arbeiten an, wo die zarte Wellenstruktur der Petalenränder die einzige morphologische Eigenschaft war, die die Blütenblattspitzen schmückte. Die Evolution dieses Begriffes bringt Abb. 63 näher, in der eine Kollektion einfarbiger Taglilien mit Rüschen aus den 60-iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts analog Sorten der letzten Jahre gegenübergestellt wurde.
Abb. 63 Rüschen alter und zeitgenössischer Tagliliensorten
Pineapple Moon
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Because of You
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Tropical Breeze
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Chang Dynasty Fall
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Auf dieser Grundlage könnte man die Rüsche als horizontale Falten der Blütenblattränder der Taglilienblüte definieren, die verschiedener Breite sind (Abb. 64).
Abb. 64 Traditionelle Rüschen von Taglilienblüten
Our Friend Jim Saddler (б)
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Die traditionellen Rüschen sind sich morphologisch ähnlich. Die horizontalen Falten der Petalenränder bei einer der hervorragendsten Ausgaben sind auf der gesamten Ebene ihrer Anwesenheit regelmäßig und einheitlich. Man kann sie in einer unerschöpflichen Anzahl von Sorten der Taglilie aller zeitgenössisch anerkannten Züchter dieser Blumen antreffen, in einer mehr oder weniger dem Ideal angenäherten Ausgabe. Es ist darauf hinzuweisen, dass bei einigen Sorten die Rüschen die Tendenz zur Abweichung von der Horizontalen zur Vertikalen aufzeigen (c, d) und mit der Petalenebene einen Winkel bildeen, der einen rechten Winkel anstrebt.
Modelllösungen klassischer Rüschen präsentiert die Zucht Linda Agins, http://daylily.homestead.com/agin.htm, deren Sämlinge sich durch außergewöhnliche Kunstfertigkeit züchterischer Errungenschaften und einmaliger Eleganz auszeichnen (Abb. 65).
Abb. 65 Sämlinge L. Agins
Etwas andere morphologische Eigenschaften von Rüschen präsentieren die Sorten, die aus der Zucht T. Petits hervorgehen, http://www.petitdaylilies.com.
Sie machen den Eindruck, schwerer zu sein: sie sind dicker, breiter, haben eine geringere Zahl von Wellen (Abb. 66) und in extremen Fällen werden sie zu einem unregelmäßigen, verlaufenden Rand, meistens einer Farbe, die von der Farbe der inneren Blütenblätter abweicht, welche mehr oder weniger die Eigenschaft der Rüschen verloren hat (Abb. 67).
Abb. 66 Rüschen der Sorten aus der Zucht Petits
Matthew William
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Ted's Tribute to Linda
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Wings of Smoke
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Robert W. Grenkowitz
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Abb. 67 Unregelmäßige Ränder von Taglilienblütenblättern
Eine interessante Variante der Spitzen der inneren Blütenblätter, welche in der letzten Zeit erschienen sind und noch von einer nicht zahlreichen Gruppe von Sorten vertreten wird, ist eine besondere Sorte von Rüsche, zur Unterscheidung nennen wir sie „Wellenrüsche”. Sie hat einen anderen Bau im Gegensatz zu den Spitzen der inneren Blütenblätter, welche oben besprochen wurden, und welche traditionell die Vorstellungen mit der Bezeichnung „Rüsche“ formen.
Sie werden durch eine zerzauste, ungeordnete Zahl von Wellen gekennzeichnet, mit einer verlängerten Welle von Runzeln, welche einerseits den Eindruck eines künstlerischen Durcheinanders, andererseits einer attraktiven und passenden plastischen und ästhetischen Lösung bildet (Abb. 68).
Abb. 68 Tagliliensorten mit Wellenrüschen (1)
V. G. Star Bright (a)
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Talladaega (b)
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Jane Mahan (c)
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Zsa Zsa (d)
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Sie tritt sowohl in der Farbe der Petalen (a) wie auch in anderen Farben (b, c, d) auf. Ein gewisses Novum, auf das hinzuweisen lohnt, ist die bei einigen dieser Sorten anzutreffende verdrehte Anordnung, dachziegelartig sich überlappender Petalen, die z. B. bei den Sorten Talladaegs (a), Jane Mahans (b) und dem Sämling ZsaZsa Petits (c) sichtbar ist. Bei dieser Anordnung legt sich jede der inneren Blütenblätter mit einem Rand unter und mit dem anderen Rand über das benachbarte Blütenblatt.
Die „Wellen”-Rüschen treten mit einer größeren Zahl, einander näher belegenen Wellen bei anderen Sorten, am häufigsten einfarbigen, auf (Abb. 69).
Abb. 69 Tagliliensorten mit Wellenrüschen (2)
Cinderella Sue
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Siewka Behrens'a
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Fabulous Fortune
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Memories Remain
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Eine besondere, komplexere Form von Wellenrüschen ist die künstlerisch gewaltig erhabene Anordnung, die an ein Jabot, eine Verzierung aus drappiertem Stoff, erinnert (Abb. 70).
Abb. 70 Tagliliensorten mit Wellenrüschen (3)
Sp. Irish Illumination
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Ledgewood's Wigins of a Dove
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Beispiele dieser Lösungen illustriert Abb. 70, mit der Sorte The Hulk an der Spitze, die am deutlichsten die Charakteristik dieser Eigenschaft wiedergibt.
Die Erörterungen zum Thema des morphologischen Aspekts der Spitzen der inneren Blütenblätter wäre nicht vollständig, wenn man die Lösungen übergehen würde, welche nicht dem Begriff „Rüschen” entsprechen, sondern in Wahrheit neue und vielversprechende Errungenschaften in der Taglilienzucht der letzten Jahre darstellen.
Die Spitzen der Petalenränder haben bei einer gewissen Zahl zeitgenössischer Tagliliensorten das Aussehen von Runzeln oder Wellen des äußeren Randes der Blütenblätter verloren. An deren Stelle sind unter morphologischen Gesichtspunkten verschiedenartige Strukturen erschienen, die eher den Charakter einer Borte, eines unabhängigen Zusatzes zu den Petalen einnehmen, als eines mit ihnen integral verbundenen Fragments.
Es scheint, dass diese Richtung in der Taglilienzucht in der von F. Harding eingeführten Sorte Forestlake Ragamuffin (Abb. 71) ihren Anfang nahm, welche durch die Gegenwart der ungewöhnlichen Eigenschaft zum Gegenstand besonderen Interesses von Züchtern wurde.
Diese Zuchtrichtung fruchtete in den letzten Jahren mit dem Erscheinen vieler neuer attraktiver Sorten, welche auf Auktionen die höchsten Preise erzielten.
Abb. 71 Forestlake Ragamuffin (F. Harding 1993)
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Am Bau vieler von ihnen konnte man ohne Mühe genetische Zusammenhänge mit der Sorte Forestlake Ragamuffin wiederfinden, unabhängig davon, ob es eine formale Bestätigung in den Stammregistern der Sorten fand, wie es bei den Sorten Bass Gibson (J. Rice) oder F. Briar Path (F. Harding) der Fall war, oder solche Informationen fehlten, wie bei der Sorte Fantastic Fringe (J. Salter) (Abb. 72).
Abb. 72
Bass Gibson
F.Briar Path
Fantastic Fringe
Der innovative und unkonventionelle Abschluss der Petalenränder, der anfänglich auf gelbe und orangene Sorten beschränkt war, wurde bald auf Sorten mit anderen Farben übertragen (Abb. 73).
Sie holten bald einen besonderen Wert als Träger der genetischen Eigenschaft, die die Gewinnung neuer, attraktiver Lösungen in der schöpferischen Taglilienzucht potentiell ermöglichte, und als solche erzielten sie auf dem Markt einen entsprechend hohen Preis.
Abb. 73
God Save The Queen
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Brantlee Phillips
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Der Zuchttrend, der andere Abschlüsse als die der Petalenränder mit traditionellen Rüschen hervorbrachte, setzte viele andere Initiativen der hervorragendster Züchter in dieser Richtung in Gang, und obwohl die Arbeiten weiterhin andauern, brachte dieser Trend bereits viele spektakuläre Erfolge.
Es gibt Züchter, welche dieser Richtung besonders viel Aufmerksamkeit gewidmet haben, und deren Errungenschaften als führende erscheinen. Zu ihnen gehört u. a. J.Gossard http://www.daylilynet.com/index.htm, der der Urheber vieler sehr origineller Lösungen in den bereits registrierten Sorten (Abb.74) bzw. Sämlingen (Abb.75) ist.
Abb. 74 Sorten von Gossard
Outer Limits
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Puffrefish Heavenly
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Danger Zone
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Predator
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Venus Fly Trap
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Sie schaffen in der Realität eine neue, bisher noch nicht angetroffene Qualität bei der Verzierung der Ränder der inneren Blütenblätter der Taglilien.
Abb.75 Sämlinge von J. Gossard
Ein anderer Züchter, dem es gelungen ist, auf dem Feld der Gewinnung unkonventioneller Abschlüsse von Petalenrändern bedeutende Erfolge zu erzielen, ist J. Benz http://benzgardens.com/. Einige seiner Sorten zeigen das höchste Niveau züchterischer Errungenschaften in diesem Bereich (Abb. 76).
Abb. 76 Sorten von J. Benz
Reap the Whirlwind
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Brislting Fury
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Die Zuchtarbeiten an der Gewinnung morphologisch attraktiver Petalenabschlüsse werden neben den genannten auch von vielen anderen anerkannten Züchtern durchgeführt. Abb. 77 stellt die Ergebnisse der Arbeiten an der Gewinnung von Abschlüssen der inneren Blütenblätter, die als „Haizähne” bezeichnet werden, im Laufe der letzten Jahre dar.
Abb. 77 Petalenabschlüsse, die als „Haifischzähne” definiert werden
Mort Morss
J. Salter 2002
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Iwanna Prianha
J. Kinnebrew 2006
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Royal Fringe
T. Petit 2008
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Eagles Gift
T. Petit 2008
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All of My Love to You
J. Rice 2008
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Prince Vladimir
J. Peat 2009
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Diamond Cutter
S. Holley 2010
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Forever Knight
J. Peat 2010
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Eine andere Frage von Lösungen bezüglich der morphologischen Aspekte der inneren Blütenblätter ist die Übertragung ihrer Abschlüsse auf die äußeren Blütenblätter. Und hier erlaubt es die Natur, solche Lösungen zuzulassen, ähnlich wie es bei den farblichen Elementen des Schlundes oder des Auges der Fall ist. Heute kann man mit vollkommener Sicherheit sagen, dass die morphologischen Elemente, die die Abschlüsse der Petalen schmücken, als Ergebnis von Zuchtarbeiten auch ins Eigentum der Sepalen übergehen können (Abb.78). Tatsächlich gibt es heute nur wenige solcher Sorten, die diese Wahrheit bestätigen, aber aus der Perspektive zukünftiger Zuchtarbeiten erscheint diese Feststellung sehr wesentlich.
Abb. 78 Übertragung der Eigenschaft des Abschlusses der Petalenränder auf die Sepalen
Worthy of Distinction
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Siewka Townsenda
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Pins and Needles
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H. Malcolm Brooker
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Die farblichen Aspekte der äußeren Ränder der Petalen wurden teilweise in den dem Schlund und dem Auge der Taglilienblüte gewidmeten Unterkapiteln besprochen. Es wurden die farblichen Zusammenhänge dieser beiden Strukturen mit der Farbe der Abschlüsse der inneren Blütenblätter aufgezeigt. Bis zu einem gewissen Zeitpunkt erschien es, dass der Empfang der Färbung des Schlundes bzw. des Auges durch den äußeren Rand der Petalen einen alternativen Charakter hat. Die Ergebnisse der züchterischen Arbeiten der letzten Jahre widersprechen einer solchen Sichtweise.
Es existieren nämlich viele Sorten, deren Blüten lediglich mit einem Schlund ausgestattet sind und ohne ein Auge sind und Rüschen haben, die in einer anderen Farbe als die des Schlundes sind (Abb. 79)
Abb. 79 Rüschenfarben bei Taglilienblüten, die kein Auge haben
Elegant Harmony
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Thunderbolts Way
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Ed Brown
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Dan's Paradise Pink
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Die Ebene einer anderen Argumentation ist die Einführung von reicheren farblichen Lösungen in die Verzierung des Petalenrandes. Diese Richtung in der Taglilienzucht hat eine ganze Gruppe von Sorten geschaffen, deren Blüten mit einer zweifarbigen Rüsche geschmückt sind. Eine von ihnen ist die Wiederholung der Farbe des Auges, die andere hat einen Umriss, die andere hat einen Umriss, der am häufigsten mit den farblichen Elementen des Schlundes kontrastriert (Abb. 80).
Abb. 80 Zweifarbige Rüschen bei Blüten von Tagliliensorten
Adventures with Ra
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Led. Fondest Wish
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Concert Music
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Siewka Petit
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Cave Creek Canyon
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Mountain Wildflower
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Orange Grove
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Lady Betty Fretz
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Keep On Lookin
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Siewka Reily
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Mike Thompson
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Spanish Fiesta
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Tagliliensorten, die um die Eigenschaft der Verzierung des Umrisses der Petalen mit einer zweifarbigen Rüsche bereichert sind, gehören zur Gruppe von Pflanzen, die die höchsten Standards in der zeitgenössischen Zucht dieser Blumen in der typischen Form repräsentieren.