Fortschritte bei der Züchtung einzelner tetraploider Taglilien

Die dargestellte Ausarbeitung widme ich den Fortschritten bei der Züchtung von klassischen, einzelnen Formen der tetraploiden Taglilien, die sich am Anfang laufenden Jahrhunderts auf der Welt vollzogen haben. Die Wahl dieser Taglilien ist nicht zufällig, denn sie bilden die zahlreichste und am weitesten in der Züchtung verbreitete Kategorie der Taglilien, die laut Daten von American Hemerocallis Society 42.233 registrierte Sorten umfasst. Bei der Anzahl registrierter Sorten scheint es, dass die Weiterentwicklung der Züchtung unmöglich ist und die anatomischen Merkmale jeder neuen Sorte lediglich eine Wiederholung einer anderen, bereits eingetragenen sein können. Dieser Umstand stellt eine besondere Herausforderung für die Züchtung der Taglilien dar. Aufgrund des epidemiologischen Verbots des Imports von Taglilien vom amerikanischen Kontinent nach Europa wird diese Herausforderung für die europäische Zucht nochmals vervielfacht. Dieses Verbot verhindert den Züchtern aus Europa den Zugang zu den renommierten, amerikanischen Pflanzenschulen und damit zu dem für die Züchtung wertvollsten biologischen Material. Trotz der oben genannten Einschränkungen findet der Fortschritt, verstanden als ständige Schaffung neuer Formen im morphologischen und farblichen Aspekt, in der Taglilienzucht statt, obwohl er vielleicht nicht leicht zu bemerken ist. Die 2010 von mir gegründete Experimentelle Taglilien-Pflanzenschule passt ihre Zuchtprogramme den aufkommenden neuen Richtungen in der allgemeinen Zucht an. Meiner Beurteilung nach haben sich im letzten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts mindestens drei davon als dominant erwiesen: 1. die Variabilität des morphologischen Taglilienblütenbaus 2. die Variabilität der Grafik und der Farbgebung der Augenzone 3. die Veränderung glatter Oberflächen der Blütenblätter durchs Formen.

1. Die Variabilität des morphologischen Taglilienblütenbaus

Um die Jahrhundertwende waren einzelne Blüten tetraploider Taglilien nach damaliger Mode meist durch breite innere Kronblätter (Petalen) gekennzeichnet, die teilweise die darunter liegenden äußeren Kelchblätter (Sepalen) vollständig bedeckten (Abb. 1-4). Dies stand im Einklang mit der physiologischen Funktion der äußeren Blütenblätter, denen die Rolle eines Gerüsts zugewiesen wurde, auf das sich die schmucken, farblich für Insekte ansprechenden inneren Blütenblätter stützten.
Abb. 1 Sterling Tribute
Abb. 1 Sterling Tribute Carr 2000
Abb. 2 Smalll World Zachari
Abb. 2 Smalll World Zachari Miller 2001
Abb.3 Ledg.Cinnamon Lace
Abb.3 Ledg.Cinnamon Lace Abajian 2003
Abb.4 Baby Lemonade
Abb.4 Baby Lemonade Trimmer 2005
Ein zu dieser Zeit häufig vorhandenes dekoratives Element der Blume war ein Auge unterschiedlicher Breite und Farbe, das als einfarbige, homogene, stark von der Farbgebung der inneren Blütenblätter abgegrenzte Struktur definiert wurde (Abb. 5-8).
Abb.5 Blackberry Jack
Abb.5 Blackberry Jack Trimmer 2002
Abb.6 Blackberry Sunday
Abb.6 Blackberry Sunday Smith 2008
Abb.7 Broadway Dimples
Abb.7 Broadway Dimples Stamile 2008
Abb.8 Beggin for Trouble
Abb.8 Beggin for Trouble Owen 2013
Die hinsichtlich des morphologischen und farblichen Aspektes gelungenen Leistungen der Experimentellen Taglilien-Pflanzenschule waren lediglich eine Bestätigung der Bauform von damals dominierenden Tagliliensorten (Abb. 9-12).
Abb.9 Corrida
Abb.9 Corrida Bodalski 2015
Abb.10 Marszalek J.Pilsudski
Abb.10 Marszalek J.Pilsudski Bodalski 2015
Abb.11 Gavroche
Abb.11 Gavroche Bodalski 2015
Abb 12. Napój Miłosny
Abb 12. Napój Miłosny Bodalski 2017
Der Beginn des Jahrhunderts war gleichzeitig eine Periode der sichtbaren Entwicklung hinsichtlich der Bauform von tetraploiden Taglilienblüten. Anfangs eher schüchtern, tauchten im Laufe der Jahre immer öfter die Sorten auf, in denen die verengten inneren Blütenblätter die bisher darunter verdeckten äußeren Blütenblätter enthüllten, sodass sie sich zu einem vollwertigen Element der Präsentation der dekorativen Blumeneigenschaften verwandelten. Die Übertragung der Zeichnung von Petalen auf Sepalen war ein Novum in der Zucht von tetraploiden Taglilienblüten. Die Verengung der inneren Blütenblätter veränderte gleichzeitig die Form des Auges, das von der kreisähnlichen Struktur die Form eines Ovals einnahm oder verschiedener Dreifeldfiguren, die sich häufig in Richtung der Peripherie der Blütenblätter erweiterten (Abb. 13-20).
Abb.13 Celestial Eyes
Abb.13 Celestial Eyes Lambertson 2000
Abb.14 Intelligent Design
Abb.14 Intelligent Design Emmerich 2004
Abb.15 Goldenzelle
Abb.15 Goldenzelle Smith 2006
Abb.16 Little Brandon
Abb.16 Little Brandon Peat 2006
Abb.17 Martin Blondeel
Abb.17 Martin Blondeel Trimmer 2008
Abb. 18 Autumn Concerto
Abb. 18 Autumn Concerto Stamile Pierce 2010
Abb.19 Blockbuster
Abb.19 Blockbuster Gossard 2010
Abb.20 Puppydog Kisses
Abb.20 Puppydog Kisses Gossard 2010
Die Ergebnisse eigener Zuchtarbeiten entsprachen in diesem Zeitraum der allgemeinen Tendenz der Weltzucht (Abb. 21-28).
Abb. 21 Brunetki Blondynki
Abb. 21 Brunetki Blondynki Bodalski 2015
Abb.22 Sdlg. 575-1
Abb.22 Sdlg. 575-1 Bodalski 2012
Abb.23 Giggle In Canion
Abb.23 Giggle In Canion Bodalski 2018
Abb.24 Sdlg. 507-2
Abb.24 Sdlg. 507-2 Bodalski 2011
Abb.25 Jurij Gagarin
Abb.25 Jurij Gagarin Bodalski 2018
Abb.26 Jej Portret
Abb.26 Jej Portret Bodalski 2014
Abb.27 Majowa Jutrzenka
Abb.27 Majowa Jutrzenka Bodalski 2015
Abb.28 Brunetka …
Abb.28 Brunetka … Bodalski 2014

2. Die Variabilität der Grafik und der Farbgebung der Augenzone

Die grafische und farbliche Umwandlung der Augenpartie war ein weiteres Element des Fortschritts der modernen Züchtung von tetraploiden Taglilien. Der unbestreitbare Vorläufer dieser Zuchtrichtung war die 1948 von Taylor registrierte, diploide Sorte „Aphrodite“ (Abb. 29).
Abb. 29 Aphrodite
Abb. 29 Aphrodite Taylor 1948
Es wird ein Rätsel bleiben, warum 60 Jahre vergehen mussten, bis die Taglilienzucht versucht war, einen ähnlich spektakulären Erfolg zu erzielen, den der Autor dieser Sorte vorweisen konnte. Dies wurde von Bob Faulkner erreicht, dessen Leistungen in der Zucht diploider Taglilien kein globales Äquivalent haben. Diese Leistungen waren nämlich die erste Kategorie, in der der Fortgang der Züchtung unglaubliche, damals für tetraploide Taglilien völlig unerreichbare Erfolge erzielte (Abb. 30-37).
Abb.30 Seedling
Abb.30 Seedling Faulkner 2007
Abb.31 Seedling
Abb.31 Seedling Faulkner 2007
Abb.32 Seedling
Abb.32 Seedling Faulkner 2007
Abb.33 Seedling
Abb.33 Seedling Faulkner 2007
Abb.34 Forty Two Dollar
Abb.34 Forty Two Dollar Faulkner 2009
Abb.35 Leonardo's Perpective…
Abb.35 Leonardo's Perpective… Faulkner 2011
Abb. 36 The Nutcracker
Abb. 36 The Nutcracker Faulkner 2014
Abb.37 Eric S.Simpson
Abb.37 Eric S.Simpson Faulkner 2014
Das Auge als eine einfarbige, homogene Struktur, die die Blumenkehle umgibt, hat sich in ein Mosaik verschiedener, mehrfarbiger, grafisch raffinierter Kompositionen verwandelt. Es war verständlich, dass die Zucht von tetraploiden Taglilien Anstrengungen unternehmen musste, um ähnliche Lösungen im Bereich ihrer eigenen Zuchterfolge einzuführen. Eine neue Kategorie von Blumen mit dem Namen "gemusterte Taglilie (patterned daylilis)" wurde hervorgerufen. Eine der ersten tetraploiden Taglilien in dieser Kategorie waren die von Stamil gezüchteten Sorten: Screen Pattern und Get Jiggy (Abb. 38, 39). Bald jedoch führten die erweckten Ambitionen anderer Züchter zu einer ganzen Reihe neuer Sorten hin.
Abb.38 Screen Pattern
Abb.38 Screen Pattern Stamile 2005
Abb.39 Get Jiggy
Abb.39 Get Jiggy Stamile 2008
Hervorzuheben sind hier die Leistungen von Hansen, DeCaire, Ansari, Gossard, sowie vielen anderen Züchtern (Abb. 40-47).
Abb.40 Shock Therapy
Abb.40 Shock Therapy Hansen 2008
Abb.41 Four Beasts in One
Abb.41 Four Beasts in One DeCaire 2009
Abb.42 Heather Grace
Abb.42 Heather Grace Grace 2010
Abb.43 One Night Pollination
Abb.43 One Night Pollination Ansari 2014
Abb.44 Solomon’s Sunrise
Abb.44 Solomon’s Sunrise Ansari 2015
Abb .45 Impact Zone
Abb .45 Impact Zone Gossard 2018
Abb.46 Ominous
Abb.46 Ominous DeCaire 2019
Abb.47 Patterned for Success
Abb.47 Patterned for Success Pierce 2019
Es sollte betont werden, dass die Quelle für die Erzielung des Effektes einer gemusterten Augenzone bei tetraploiden Taglilien - die diploide Taglilien waren, die in die Tetra-Form umgewandelt wurden. Die Liste der Sorten, die sich auf dem Gebiet der Transformationen verdient machten, ist lang und sicherlich nicht vollständig unten aufgeführt:
  • Ben Lee
  • Colorful Etchings
  • Cosmic Kaleidoscope
  • Crystal Blue Persuasion
  • Dark Mosaic
  • Devil's Footprint
  • Dragons Eye
  • Exotic Echo
  • Kaleidoscope Intrigue
  • Kaleidoscope Jungle Catungle Cat
  • Kaleidoscope Puzzle
  • Lavender Blue Baby
  • Pattern Maker
  • Priscilla's Rainbow
  • Siloam Virginia Henson
  • Super Fancy Face
  • Texas Kaleidoscope
  • Tiger on the Mountain
Die eigenen Leistungen der Experimentellen Taglilien-Pflanzenschule in der Kategorie der gemusterten tetraploiden Taglilien folgen den Leistungen führender amerikanischer Pflanzenschulen. Die erhaltenen Klone werden derzeit beobachtet und für die Registrierung vorbereitet (Abb. 48-55).
Abb.48  Seedling
Abb.48 Seedling Bodalski 2018
Abb.49  Seedling
Abb.49 Seedling Bodalski 2018
Abb.50 Seedling
Abb.50 Seedling Bodalski 2018
Abb.51 Seedling
Abb.51 Seedling Bodalski 2018
Abb.52 Seedling
Abb.52 Seedling Bodalski 2018
Abb.53 Pchła Szachrajka
Abb.53 Pchła Szachrajka Bodalski 2015
Abb.54 Seedling
Abb.54 Seedling Bodalski 2019
Abb.55 Seedling
Abb.55 Seedling Bodalski 2018
Während der Fortschritt auf dem Gebiet der Züchtung von gemusterten tetraploiden Taglilien als abgeschlossen angesehen werden könnte, wird ein aufmerksamer Beobachter ein weiteres Merkmal finden, das die erzielten Züchtungsergebnisse von allen anderen unterscheidet. Dieses Merkmal ist der Farbenreichtum der Zeichnung in der Augenzone, der auf verzaubernde Weise durch Sorten dargestellt wird, die von Stamile gezüchtet wurden (Abb. 56 -59).
Abb.56 Chromacolor
Abb.56 Chromacolor Stamile 2017
Abb.57 King Maker
Abb.57 King Maker Stamile 2017
Abb.58 Blockchain
Abb.58 Blockchain Stamile 2017
Abb.59 Puzzler
Abb.59 Puzzler Stamile 2017

3. Die Veränderung glatter Oberflächen der Blütenblätter durchs Formen

Die Einführung der Veränderung durchs Formen in die Konstruktion einer flachen Oberfläche der Petalen ist eine weitere Kategorie anatomischer Verwandlungen der Merkmale tetraploider Taglilien, die ihre eigene Geschichte hat. Die ersten Klone, die dieses Merkmal in Spurenform präsentierten, erschienen Ende des letzten Jahrhunderts durch die Sorten, die von Carr und Salter registriert wurden (Abb. 60-61). Sie zeichneten sich durch Längsrippen aus, die über die Oberfläche der Petalen hinausragten und von der Kehle bis zum Außenbereich des Blütenblattes reichten, manchmal mit Strahlung nach außen. Ein deutlicheres Bild dieses Merkmals zeigten spätere Sorten von Stamile und Carpenter (Abb. 62-63) und mehreren anderen Autoren, die diese Zuchtrichtung einnahmen.
Abb.60 Sherry Lane Carr
Abb.60 Sherry Lane Carr Carr 1993
Abb.61 Empire Strikes Back
Abb.61 Empire Strikes Back Salter 1997
Abb.62 Bas Relief
Abb.62 Bas Relief Stamile 1999
Abb.63 Song of the Empire
Abb.63 Song of the Empire Carpenter 2004
In der Anfangszeit waren alle registrierten Sorten, die ein Flachrelief von Petalen aufwiesen, in ihrer Struktur und Farbe ähnlich. Meiner Meinung nach war die 2009 von Godwin vorgestellte Sorte „Heavenly Highway's Home“ ein bedeutender Durchbruch bei der Zucht dieser Kategorie von Taglilien: eine Rosette goldenen Flachreliefs auf dem Hintergrund einer hell rosa Oberfläche der Petalen füllte die Augenpartie vollständig aus, und eine goldene, dicht drapierte Rüsche der Petalen ergänzte den Rest der dekorativen Vorzüge der Sorte (Abb. 64).
Abb.64 Heavenly Highway’s Home
Abb.64 Heavenly Highway’s Home Godwin 2009
Hansen hat in den folgenden Jahren die Zucht der geformten tetraploiden Taglilien erfolgreich weiterentwickelt und als einziger in der Welt die attraktiven Klone mit der Präsentation des Reliefs als wichtigen dekorativen Element in der anatomischen Struktur der Blume registriert (Abb. 65-68).
Abb.65 Dixie Sweetheart
Abb.65 Dixie Sweetheart Hansen 2011
Abb.66 Dressed Like a Lady
Abb.66 Dressed Like a Lady Hansen 2014
Abb.67 Bridge of Sighs
Abb.67 Bridge of Sighs Hansen 2015
Abb.68 Ladybug South Beach
Abb.68 Ladybug South Beach Hansen 2016
Die von Hansens Leistungen inspirierte Experimentelle Taglilien-Pflanzenschule hat unter den polnischen Züchtern ein „Bridge” Programm eingeführt, das die Züchtung tetraploider Reliefformen als Ziel hatte. Die letzten Blütezeiten zeigten die ersten blühenden Klone dieses Programms (Abb. 69-72).
Abb.69 Welkome Sławomir
Abb.69 Welkome Sławomir Bodalski 2018
Abb.70 Seedling
Abb.70 Seedling Bodalski 2019
Abb.71 Seedling
Abb.71 Seedling Bodalski 2019
Abb.72 Seedling
Abb.72 Seedling Bodalski 2019
Durch die Präsentation der Leistungen der Experimentellen Taglilien-Pflanzenschule wollte ich meine Besorgnis über das Schicksal der europäischen Taglilienzucht zum Ausdruck bringen. Die Isolation von den Leistungen amerikanischer Züchter könnte zu einer stärkeren Nutzung eigener Möglichkeiten und Ideen motivieren. Die kommenden Jahre werden zeigen, inwieweit die wenigen noch bestehenden Taglilien-Zuchtstätten in Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden, Belgien und anderen europäischen Ländern, darunter Polen, trotz genannter Einschränkungen innovative Wege für die Zucht tetraploider Taglilien erfolgreich beschreiten werden.